Freydís Eiríksdóttir - Kriegerin oder Heldin

Freydís Eiríksdóttir – Heldin oder hinterhältige Mörderin?

Nach der Serie „Vikings“ sind mit „Vikings: Valhalla“ die Wikinger auf die Fernsehbildschirme zurück gekehrt und schon Anfang nächsten Jahres geht die Spin-off Serie in die zweite Runde. Vor allem den Fans der Netflix Produktion wird der Name Freydís Eiríksdóttir nicht unbekannt sein. Und auch, wenn sich die Produzenten bezüglich ihrer Darstellungsweise und Geschichte erhebliche Freiheiten genommen haben, ist die Figur der Freydís nicht frei erfunden. Ob sie tatsächlich jemals gelebt hat oder eine fiktive Kreation der Sagenschreiber war konnte aber noch nicht nachgewiesen werden.
Freydís wird in zwei der Isländersagas erwähnt, den sogenannten Vinland-Sagas. Beide beschreiben die Entdeckung von Vinland, Markland und Helluland durch die Grönländer. Die genaue geographische Lage von Vinland ist weiterhin unklar, doch beschreiben alle drei Orte Regionen in Nordamerika, wo die Anwesenheit der Grönländer auch archäologisch bestätigt werden konnte (Ausgrabungen auf dem heutigen Neufundland). Obwohl beide Sagas also das gleiche Thema behandeln, könnte ihre jeweilige Darstellung von Freydís unterschiedlicher kaum sein.

Die Sagas um Freydís Eiríksdóttir

Zuerst ein Blick auf die jüngere der beiden Erzählungen: Eiríks saga rauða (Die Sage von Erik dem Roten). Freydís war die Tochter des berühmt berüchtigten Erik „der Rote“ Thorvaldssons, Begründer der ersten skandinavischen Siedlung auf Grönland und die Halbschwester von Leif Eiríksson, dem ersten Europäer auf dem amerikanischen Festland. Sie lebte um das Jahr 1000 nach Christus und war die Frau von Thorvald, einem reichen Grundbesitzer aus Grönland. Soweit sind sich die beiden Sagas noch einig. Interessant wird es, als Freydís ihre Reise nach Vinland antritt. Bei ihrer Expedition treffen die Seefahrer vor Ort auf einen eingeborenen Stamm, den sie Skrälinger nennen. Wenngleich die ersten Kontakte auch friedlicher Natur und von Tauschgeschäften geprägt waren, hält die Harmonie nicht dauerhaft und es kommt zu einem Überfall der Skrälinger auf die Siedlung der Grönländer. Auf der Flucht hat die hochschwangere Freydís Schwierigkeiten, mit den Anderen mitzuhalten und erzürnt sich über die Unfähigkeit der Männer die Angreifer abzuwehren. Schlussendlich ergreift sie selber das Schwert eines getöteten Grönländers, reißt ihre Tunika auf und schlägt sich mit der Waffe gegen die entblößte Brust. Die Skrälinger sind so beeindruckt von dieser Demonstration von Mut und Stärke, dass sie die Flucht ergreifen. Freydís geht als die Heldin aus dieser Geschichte hervor, die im Alleingang ihre Mitsiedler verteidigt hat und hier das Bild einer furchtlosen Schildmaid verkörpert.

Im Gegensatz dazu fällt ihre Beschreibung in der älteren Vinland-Saga, der Grænlendinga Saga (Die Sage der Grönländer), nicht so vorteilshaft aus. Im Gegenteil. Freydís unternimmt hier die Reise nach Vinland gemeinsam mit zwei Brüdern namens Helgi und Finnbogi. Der Plan ist es, gemeinsam zu siedeln und die dortigen Ressourcen gleichmäßig untereinander aufzuteilen. Anstatt von heldenhaft ist Freydís in dieser Version aber eher intrigant und hinterhältig; sie nimmt heimlich zusätzliche Crewmitglieder auf ihr Schiff, um sich einen Vorteil zu erschleichen. In Vinland angekommen verbannt sie die Brüder aus dem vorbereiteten Lager, woraufhin diese sich gemeinsam eine andere Siedlung aufbauen. Einige Zeit später besucht Freydis Helgi und Finnbogi, um mit ihnen über ihre Schiffe zu verhandeln. Diese sind größer, als ihre Eigenen und Freydis will mit ihnen nach Grönland zurück reisen. Sie besucht das Lager der Brüder unter dem Vorwand einer friedlichen Verhandlung und die Drei kommen auch zu einer Übereinkunft. Bei der Rückkehr in ihre Siedlung bekommt Thorvald allerdings einen ganz anderen Bericht zu hören. Helgi und Finnbogi hätten seine Frau geschlagen und missbraucht und Freydís fordert ihn auf, sie zu rächen. Sie wirft ihm vor, ein Feigling zu sein, bis Thorvald mit seinen Männern schließlich loszieht und alle Bewohner des anderen Lagers tötet, bis auf die Frauen. Doch das ist nicht genug für Freydís. Wie auch in der anderen Saga ergreift sie selber die Waffen. Aber dieses Mal ist es eine Axt mit der sie die wehrlosen Frauen erschlägt. Ihre eigenen Leute bedroht sie mit dem Tod, sollten sie bei ihrer Rückkehr nach Grönland von ihrer Tat berichten. Die Wahrheit sickert schlußendlich aber durch und Freydís und ihre Nachkommen verlieren ihr Ansehen über Generationen hinweg, nur ihrer Verwandschaft mit Leif hat sie es zu verdanken, dass er sie nicht mit dem Tode bestraft.

Ist Freydís Eiríksdóttir eine Heldin oder eine hinterhältige Mörderin?

Welche Version kommt der Wahrheit wohl am Nähesten? Bei der Lektüre beider Sagas sollte man beachten, dass sie erst mit einem großen zeitlichen Abstand von etwa 200 Jahren nach dem Geschehen schriftlich festgehalten wurden. Dabei wurden alte Geschichten durch die Brille der Christianisierung betrachtet und teilweise zu propagandistischen Zwecken ausgeschmückt. Die Sage der Grönländer ist die ältere Quelle und entstand im späten 12. bis 13. Jahrhundert. Man geht davon aus, dass die Verfasser der Sage von Erik dem Roten sie als Grundlage für ihre Texte genommen haben. Dabei haben sie sich in ihrer Version jedoch literarisch gewandter ausgedrückt und sie nach neueren, vor allem geographischen, Erkenntnissen abgewandelt. Außerdem haben sie mehrere Expeditionen der Grönländer in nur zwei Reisen zusammengefasst und stellen die Figuren heroischer und in einer verherrlichenderen Art und Weise dar.
Zu guter Letzt bleiben beide Versionen aber eben eines: Sagen. Legenden, die über lange Zeit mündlich weitergegeben wurden und uns heutzutage Hinweise und Einblicke in vergangene Zeiten geben, wenn wir keine archäologischen Nachweise haben. Ohne Zweifel faszinierend und unterhaltend, aber keine sichere Methode, um die Wahrheit wissen zu können. Eines ist jedoch sicher, sollte Freydís Eiríksdóttir tatsächlich gelebt haben, muss sie wohl eine interessante Persönlichkeit gewesen sein, um so unterschiedliche Eindrücke in den Geschichten der Menschen zu hinterlassen.


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